Warten auf Lothar - Ein Interview mit Lothar Matthus 11FREUNDE

Ein teures Hotel in einem teuren Stadtteil der ansonsten armen Hauptstadt Berlin. Fr den Nachmittag ist hier ein Treffen vereinbart: Lothar Matthus im Interview mit 11FREUNDE. Lothar Matthus zu einem Interview zu bekommen, braucht Zeit. Und Geduld. Und viele EMails mit seinem Management. Jetzt ist das natrlich alles vergessen. Die Sonne scheint und vor dem

Ein teures Hotel in einem teuren Stadt­teil der ansonsten armen Haupt­stadt Berlin. Für den Nach­mittag ist hier ein Treffen ver­ein­bart: Lothar Mat­thäus im Inter­view mit 11FREUNDE. Lothar Mat­thäus zu einem Inter­view zu bekommen, braucht Zeit. Und Geduld. Und viele E‑Mails mit seinem Manage­ment. Jetzt ist das natür­lich alles ver­gessen. Die Sonne scheint und vor dem teuren Hotel wird eine lebens­große Pfer­de­figur aus einem LKW abge­laden. Ver­mut­lich ist auch dieser gol­dene Gaul ziem­lich teuer gewesen. Fehlt nur noch Mat­thäus, dann kann der Spaß beginnen.

Wie es sich gehört, ist der Inter­viewer ein paar Minuten früher vor Ort. Das hat den Vor­teil, dass er sich 1.) Gedanken dar­über machen kann, was wohl dieses Pferd in einem Hotel zu suchen hat, und 2.) was diesen Mat­thäus eigent­lich so inter­es­sant macht. 1.) klärt sich dann bald auf: Auf dem Hotel­dach findet an diesem Abend eine Ver­an­stal­tung statt, die irgend­etwas mit einem bald begin­nenden Pfer­de­rennen zu tun hat. Des­halb der Gaul. 2.) ist dann wieder eine Frage für sich. Wäre Lothar Mat­thäus eine Wis­sen­schaft, würden sich wahr­schein­lich Hun­dert­schaften von Stu­denten die Zähne an ihm aus­beißen.

Will man hier einen Mann treffen, der über Fuß­ball­plätze grätschte?

20 Minuten sind ver­gangen. Lothar Mat­thäus hat sich noch nicht bli­cken lassen. Dafür ist das Sofa im Hotel­foyer groß und gemüt­lich und das Publikum im Ein­gangs­be­reich des Hotels so unter­haltsam, dass die War­terei zum Men­schen­kino ver­kommt. Ein älteres Ehe­paar mit kurzen Hosen und aus­ge­wa­schenen Sonnen-Schlapp­hüten ist offenbar nur hier, um das Hotel zu bestaunen. Sie machen ein paar Fotos und ziehen dann ein­ge­hakt von dannen. Vier Eng­länder wuseln zur Rezep­tion und fragen nach ihrer Reser­vie­rung. Die beiden Frauen sehen aus, als hätten sie noch nie im Leben mehr als drei Kilo schleppen, geschweige denn in einem Hotel über­nachten müssen, das weniger als fünf Sterne hat. Die Kerle rie­chen nach schwei­ne­teurem Parfüm und haben Män­ner­hand­ta­schen. Will man in einem sol­chen Umfeld einen Mann treffen, der des­halb so reich und berühmt ist, weil er wie kein Zweiter über ein Fuß­ball­feld rennen und grät­schen konnte?

Lothar Mat­thäus. Was fallen einem da für Bilder ein? Woran man eigent­lich denken sollte: Wie er einst einen Eck­ball volley in den Winkel drosch. Wie er gegen Jugo­sla­wien über das halbe Feld sprin­tete und den Ball mit bra­chialer Gewalt ins Tor wuch­tete. Wie er Andreas Möller fast in die Hals­schlag­ader grätschte und den armen Andi anschlie­ßend mit der berühmt gewor­denen Heul­susen-Geste ver­al­berte. Wie er nach ver­lo­renen Fuß­ball­spielen vor Wut so schäumte, dass man Angst um die Fieldre­porter haben musste, wenn die todes­mutig ihr Mikro­phon in den anbrau­senden Orkan hielten. Wie er 1990 stolz wie Bolle den gol­denen WM-Pokal in die Nacht von Rom reckte und wir alle werden wollten wie er: Lothar Mat­thäus, der Welt­meister.

»> Teil 1 des 11FREUNDE-Inter­views mit Lothar Mat­thäus

Woran man aber wirk­lich denkt, wenn man auf einem großen Sofa in der besagten Hotel-Lobby sitzt und die Gedanken auf Lothar Mat­thäus kon­zen­triert: Alberne Foto­stre­cken in der Bou­le­vard­presse mit viel zu jungen Mäd­chen mit viel zu unechten Lippen. Komi­sche Inter­views auf komi­schem Eng­lisch. Aus­raster im ara­bi­schen Fern­sehen. Und viele fette Schlag­zeilen, die heu­chelnd fragen, ob da was dran sei“, dass Lothar Mat­thäus bei Mainz/​Nürnberg/​Wolfsburg/​Kaiserslautern usw. als Trainer im Gespräch sei. Das ist alles purer Bock­mist und man ärgert sich über sich selbst. Aber ganz unschuldig an seinem Image ist Mat­thäus nun einmal auch nicht.

Nervt er seine Freundin mit Fuß­ball am Früh­stücks­tisch?

Inzwi­schen beträgt die War­te­zeit 45 Minuten. Eine Halb­zeit Nach­denken ist rum. Wie ist er wohl, so als Trainer? Man weiß es nicht, denn bis­lang hat er nur in solch exo­ti­schen Län­dern wie Israel, Ungarn oder Öster­reich gear­beitet, Nationen, die für den deut­schen Otto-Normal-Fuß­ball­ver­steher so weit ent­fernt liegen wie die Erde vom Mond. Ob sich seine Spieler auch über die wech­selnden jungen Damen an seiner Seite lustig machen? Ob sie sich auch die Videos im Internet anschauen, auf denen er vor lau­fender Kamera wie wild in sein Telefon schreit, um ihn herum ver­ängs­tigte Jour­na­listen von Al Jazeera? Oder sind sie stolz, wenn sie ihren Eltern und Freunden erzählen, dass aus­ge­rechnet Lothar Mat­thäus, der Welt­fuß­baller, ab sofort bei ihnen an der Außen­linie steht? Was sagt er seinen Fuß­bal­lern, wenn es zur Pause 0:2 steht und das Publikum vor Ärger brüllt und tobt? Ist er ein Tak­tik­freak? Ein Moti­vator? Liest er psy­cho­lo­gi­sche Fach­li­te­ratur, um seine Spieler besser ver­stehen zu können? Nervt er seine Freundin, wenn er am Früh­stücks­tisch über die Auf­stel­lung des kom­menden Geg­ners phi­lo­so­phiert?

Eine Stunde ist vorbei. Viel zu viele Fragen summen durch den Kopf. Das gol­dene Pferd scheint inzwi­schen auf dem Hotel­dach ange­kommen zu sein. Die ersten Gäste für die Pfer­de­rennen-Ver­an­stal­tung tru­deln ein. Alte Frauen und Männer, die wahr­schein­lich schon so viele Pferde haben rennen sehen, wie Lothar Mat­thäus Län­der­spiele hat. Fast will man ein­fach wieder gehen, das teure Hotel und all die Gedanken über diesen unpünkt­li­chen Fuß­baller hinter sich lassen, da betritt er doch noch das Foyer.

Gott sei dank, er zieht die Leder­jacke aus

Neben ihm seine neue Freundin, das Gesicht ver­steckt hinter einer großen schwarzen Son­nen­brille. Mat­thäus trägt modisch zer­ris­sene Jeans und eine Leder­jacke, die man in der 11FREUNDE-Redak­tion nicht anziehen dürfte, möchte man nicht zum Gespött des ganzen Ladens werden. Diese Jacke, Symbol für all die über­flüs­sigen Gedanken über Foto­stre­cken, junge Schmuck-Mäd­chen und alberne Inter­views. Gott sei dank, er zieht die Jacke aus. Das Inter­view kann beginnen.

»> Teil 2 des 11FREUNDE-Inter­views mit Lothar Mat­thäus

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