Da wusste ich: Du bist raus

Torben Hoffmann, wie jngst zu lesen war, wechseln Sie bald die Seiten und fangen beim Fernsehsender Sky als Reporter an. Wir mssen Sie deswegen um einen Gefallen bitten. Torben Hoffmann: Welchen denn?

Torben Hoff­mann, wie jüngst zu lesen war, wech­seln Sie bald die Seiten und fangen beim Fern­seh­sender Sky als Reporter an. Wir müssen Sie des­wegen um einen Gefallen bitten.

Torben Hoff­mann: Wel­chen denn?

Beläs­tigen Sie nie­mals einen Spieler nach dem Abpfiff mit dem Dau­er­brenner: Wie fühlen Sie sich“.

Torben Hoff­mann: Oh ja, das ist wirk­lich die schlimmste aller Fragen. Als Spieler will man nach 90 Minuten Fuß­ball nicht über seine Gefühle spre­chen. Schon gar nicht, wenn gerade etwas mächtig schief gegangen ist. Ich werde also ver­su­chen, diese Frage zu ver­meiden. Ver­spro­chen.

Was hätten Sie geant­wortet, wenn Sie am 9. Februar 2000 jemand nach dem Spiel auf Ihre Gefühle ange­spro­chen hätte.

Torben Hoff­mann: Ich habe immer ver­sucht, nett und kor­rekt auf solche Fragen zu ant­worten. Aber an diesem Tag hätte ich wahr­schein­lich sehr patzig reagiert.

Am jenem 19. Spieltag reisten Sie mit Bayer Lever­kusen als Tabel­len­führer zum zweit­plat­zierten FC Bayern. Für viele ein vor­ent­schei­dendes Duell im Kampf um die Meis­ter­schaft.

Torben Hoff­mann: Wir waren drei Punkte vor den Bayern und die Medien bauschten das Duell zum abso­luten Show­down um den Meis­ter­titel auf. Unter der Woche wurden Gift­pfeile hin und her geschossen, Zei­tungen lan­cierten bewusst wilde Gerüchte. Überall, wo man hinkam, merkte man: Die Leute sind heiß auf dieses Spiel.

Hat Ihr dama­liger Trainer Chris­toph Daum zur Moti­va­tion noch extra in die Zau­ber­kiste der psy­cho­lo­gi­schen Tricks gegriffen?

Torben Hoff­mann: Chris­toph Daum konnte einen mit seinen Anspra­chen richtig in seinen Bann ziehen. Danach wäre man für ihn in ein bren­nendes Haus gerannt, wenn er es ver­langt hätte. Aber erstaun­li­cher­weise machte er vor diesem wich­tigen Spiel nichts der­glei­chen. Uns allen war sowieso bewusst, dass wir die Bayern im Falle eines Sieges zumin­dest ankno­cken konnten. Außerdem spielten wir unter Flut­licht. Wel­cher Fuß­baller braucht in diesem Moment eine Extra-Moti­va­tion?

Das Spiel der Spiele war kurz nach dem Anpfiff aller­dings schon gelaufen. Nach nicht einmal zwei Minuten trafen Sie per Eigentor zur Füh­rung des FC Bayern.

Torben Hoff­mann: Diese 106 Sekunden von Mün­chen werden mich immer ver­folgen. Im Nach­hinein waren sie mein ulti­ma­tiver Kar­rier­knick. Ich hatte eine richtig gute Vor­be­rei­tung hinter mir, hatte mich in die Startelf gespielt und dann rutscht mir dieses Scheiß­ding rein. Danach war ich ver­brannt.

Erin­nern Sie sich noch an die Situa­tion.

Torben Hoff­mann: Klar. Gio­vanne Elber kam über unsere linke Seite und flankte sehr scharf rein. Ich stand mit Mehmet Scholl im Sech­zeh­nereck, spürte ihn in meinem Nacken. Ich wollte unbe­dingt vor ihm an den Ball kommen und sprin­tete los. Aber Scholli blieb ein­fach stehen. Dum­mer­weise habe ich das nicht bemerkt und ging im vollen Lauf zum Ball. Der Rasen war nass, der Ball tropfte auf und ich habe die Kugel ins linke untere Eck gedrückt.

Der Super-GAU.

Torben Hoff­mann: Ich weiß noch, wie ich völ­lige Leere in mir spürte. Nor­ma­ler­weise bin ich sehr emo­tional, aber in dem Moment war ich so per­plex, dass ich keine Reak­tion zeigen konnte.


Ihre Mann­schaft hatte noch 88. Minuten Zeit, das Spiel zu drehen, aber das Unglück nahm seinen Lauf.

Torben Hoff­mann: Unser ganzes Kon­zept war über den Haufen geworfen und die Bayern spielten das sehr clever aus. Ich wurde nach einer Stunde aus­ge­wech­selt, da lagen wir schon 3:0 hinten. Mein Gegen­spieler Mehmet Scholl hatte auch noch getroffen. Am Ende haben wir 1:4 ver­loren. Ein geschenkter Tag.

Wie hat die Mann­schaft auf Ihren Aus­setzer reagiert?

Torben Hoff­mann: Es gab keine Vor­würfe. Jeder wusste, dass so etwas pas­sieren kann. Nur Ulf Kirsten konnte sich seinen Spruch nicht ver­kneifen. Er kam grin­send zu mir uns sagte: Respekt, Torben, den hätte ich nicht besser machen können.“ Lachen konnte ich dar­über nicht.

Hat wenigs­tens Chris­toph Daum Sie getröstet?

Torben Hoff­mann: Ich dachte, dass der Trainer sich der psy­chi­schen Belas­tung eines sol­chen Pat­zers bewusst ist. Des­wegen hoffte ich, dass er mich im nächsten Spiel gegen Stutt­gart wieder ein­setzt, damit ich Mün­chen abhaken konnte. Daraus wurde nichts. Gegen Stutt­gart saß ich auf der Tri­büne.

Wie hat der Trainer Ihnen das erklärt?

Torben Hoff­mann: Gar nicht. Da hing ein­fach ein Zettel in der Kabine. Auf dem stand der Kader für das kom­mende Wochen­ende. Mein Name stand nicht darauf und ich wusste: Jetzt bist du raus. Für den Rest der Saison war ich nur noch Ein­wech­sel­spieler.

Die Saison endete tra­gisch. Am 34. Spieltag reiste Bayer Lever­kusen als Tabel­len­führer mit drei Punkten Vor­sprung nach Unter­ha­ching. Ein Punkt hätte zum Titel gereicht.

Torben Hoff­mann: Was da pas­siert ist, kann man eigent­lich nicht in Worte fassen. Mit der Mann­schaft, die wir damals hatten, mussten wir den Titel holen. Allein, wenn ich an unsere dama­liges Mit­tel­feld denke – Schneider, Zé Roberto, Emerson, Bal­lack – das war das Beste, was es gab. Am Ende hat es nicht einmal für Unter­ha­ching gereicht.

Sie spielten lange bei 1860 Mün­chen und been­deten Ihre Kar­riere im letzten Jahr schließ­lich in Unter­ha­ching. Nennt man das Ironie des Schick­sals?

Torben Hoff­mann: In Unter­ha­ching habe ich mir viele Sprüche wegen der Saison 2000 anhören müssen. Aber heute kann ich dar­über natür­lich lachen. Das ist abge­hakt. Michael Bal­lack hat nach seinem Eigentor gegen Unter­ha­ching ja auch nicht auf­ge­hört, Fuß­ball zu spielen. Man muss ein­fach wei­ter­ma­chen. Aber sie können sich sicher vor­stellen, wie elend man sich in dieser bestimmten Situa­tion fühlt.

Herr Hoff­mann, wir hatten da eine Abma­chung: Keine Gefühle.

Torben Hoff­mann: Da haben Sie Recht. Dann strei­chen sie bitte ein­fach den letzten Satz und ergänzen statt­dessen: Ich bin trotz dieses Eigen­tores gegen die Bayern glück­lich und zufrieden.

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